Der 8-teilige Pfad

aus: Hermetische Astrologie, Teil 1 von Robert A. Powell

 

...Seite 162-165 , Kapitel IV

Der Achtteilige Pfad in der hermetischen Astrologie

Vor etwa zweieinhalbtauscnd Jahren unterwies Gautama Buddha seine Schüler in der Übung des so genannten Achtteiligen Pfades, der die Menschen durch spirituelles Wachstum zur Erleuchtung führen soll. Dieser Acht-Weg, von dem Gautama in seiner berühmten Predigt von Benares spricht, lässt sich darstellen als ein Organismus von sieben Übungen für die sieben Lotosblumen und einer achten Übung für deren Harmonisierung im übenden Menschen insgesamt. Insofern es der hermetischen Astrologie nicht nur um ein tieferes Verständnis des Menschen in seinen kosmischen Bezügen geht, sondern sie selbst auch als ein geistiger Übungsweg verstanden werden will, findet sie fürdie übende Entwicklung der im hermetischen Horoskop in ihren »planetaren« Verhältnissen ausgewiesenen Lotoszentren und die Entfaltung der in ihnen veranlagten Begabungen und Fähigkeiten in der Adaption des Achtteiligen Pfades eine ideale Grundlage.
Freilich kann es hier nicht um eine Übernahme des buddhistischen Ideals gehen. Die Übungen des Acht-Weges im Rahmen der hermetischen Astrologie, sollen der Läuterung und Erhebung der Lotoszentren und damit der Spiritualisierung des Menschen dienen, jedoch nicht, um sich von der Welt und ihren Belangen gänzlich abzuwenden oder der irdisch-menschlichen Enmicklung den Rücken zu kehren, sondern um gerade durch die spirituelle Erweckung den Mitmenschen und dem Kosmos helfend und dienend sich zuwenden zu können. Die Übung des Acht-Pfades in der hermetischen Astrosophie folgt dem christlichen Ideal. Dies macht z.B. eine konkrete Änderung der Reihenfolge der LotosÜbungen nötig. Die östliche-vereinfachend gesprochen -welt- und persönlichkeitsflüchtige Meditationsrichtung »von unten nach oben« wird metamorphosiert in eine dem westlichen, auf die aktive Ergreifung und Verwandlung von menschlicher Persönlichkeit und Welt ausgerichteten Ideal entsprechende Meditationsbewegung »von oben nach unten«. Zuletzt sollen Konteniplation und Aktion in ein harmonisches Gleichgewicht gebracht werden.
Die Anverwandlung und Fruchtbarmachung östlicher Meditationspraxis für den europäisch-christlichen Kulturraum durch Rudolf Steiner ist unübertroffen. Die folgende Darstellung des Achtgliedrigen Meditationspfades folgt deshalb dem entsprechenden Kapitel aus seinen Anweisungen für eine esoterische Schulung. (Über die Bedeutung der vorgängigen »Nebenübungen«, der »sechs Attribute« der Hindu-Tradition: Gedankenkontrolle, Willenskontrolle, Gleichmut, Positivität, Offenheit und inneres Gleichgewicht, siehe ebenfalls dort.) Auf Grund der im vorliegenden hermetisch-astrologischen Zusammenhang entscheidenden Zuordnung der einzelnen Übungen zu den Lotosblumen bzw. Planetenkräften im kosmischen Organismus des gegenwärtigen Sonnensystems - die Rudolf Steiner selbst in der hier zitierten Anleitung so nicht angibt, da er den Rhythmus der Wochentage als Widerspiegelung der kosmischen Werdestufen unterlegt - ist die Abfolge der Darstellung der Einzelübungen hier abgewandelt. (Dem Verfasser ist klar, dass Rudolf Steiners Beschreibung des Achtgliedrigen Pfades der Entwicklung der sechzehnblättrigen Lotosblume gewidmet ist. Insofern aber der 16-blättrige Lotos ein integrierender Teil des Gesamtorganismus der Lotosblumen darstellt, spiegeln sich sämtliche Lotosblumen in seiner Entwicklung wider, und die folgende Darstellung ist ein Versuch, von einem bestimmten Standpunkt gesehen, diesen Zusammenhang zu verdeutlichen und fruchtbar zu machen. Natürlich gibt es auch andere Perspektiven.)

1. Die achtblättrige Lotosblume, das Scheitelzentrum (Saturn):

der Lotos des Gedächtnisses. Die Übung für diese Lotosblume betrifft das >Rechte Gedächtnis<. »Das Streben, möglichst viel vorn Leben zu lernen. Nichts geht an uns vorüber, das nicht Anlass gibt, Erfahrungen zu sammeln, die nützlich sind für das Leben. Hat man etwas unrichtig oder unvollkommen getan, so wird das ein Anlass, Ähnliches später richtig oder vollkommen zu machen. Sieht man andere handeln, so beobachtet man sie zu einem ähnlichen Ziele (doch nicht mit lieblosen Blicken). Und man tut nichts, ohne auf Erlebnisse zurückzublicken, die einem eine Hilfe sein können bei seinen Entscheidungen und Verrichtungen.
Man kann von jedem Menschen, auch von Kindern, viel lernen, wenn man aufpasst. Man nennt diese Übung auch >das richtige Gedächtnis<, das heißt sich erinnern an das Gelernte, an die gemachten Erfahrungen.«

2. Die zweiblättrige Lotosblume, das Stirnzentrum (Jupiter):

die Lotosblume des Denkens. Die Übung für diese Lotosblume ist die des >Rechten Denkens<. »Auf seine Vorstellungen (Gedanken) achten. Nur bedeutsame Gedanken denken. Nach und nach lernen, in seinen Gedanken das Wesentliche vom Unwesentlichen, das Ewige vom Vergänglichen, die Wahrheit von der bloßen Meinung zu scheiden. Beim Zuhören der Reden der Mitmenschen versuchen, ganz still zu werden in seinem Innern und auf alle Zustimmung, namentlich alles abfällige Urteilen (Kritisieren, Ablehnen), auch in Gedanken und Gefühlen, zu verzichten. Dies ist die so genannte richtige Meinung.

3. Die sechzehnblättrige Lotosblume, das Kehlkopfzentrum (Mars):

die Übung geht aus auf das >Rechte Sprechen<.

»Das Reden. Nur was Sinn und Bedeutung hat, soll von den Lippen desjenigen kommen, der eine höhere Entwickelung anstrebt. Alles Reden um des Redens willen - zum Beispiel zum Zeitvertreib - ist in diesem Sinne schädlich. Die gewöhnliche Art der Unterhaltung, wo alles bunt durcheinander geredet wird, soll vermieden werden; dabei darf man sich nicht etwa ausschließen vom Verkehr mit seinen Mitmenschen. Gerade im Verkehr soll das Reden nach und nach zur Bedeutsamkeit sich entwickeln. Man steht jedem Rede und Antwort, doch gedankenvoll, nach jeder Richtung hin überlegt. Niemals ohne Grund reden! Gerne schweigen. Man versuche, nicht zu viel und nicht zu wenig Worte zu machen. Zuerst ruhig hinhören und dann verarbeiten. Man heißt diese Übung auch: ~das richtige Wort

4. Die zwölfblättrige Lotosblume, das Herzzentrum (Sonne):

die Lotosblume der Liebe im Sinne der Nächstenliebe. Die Übung für diesen Lotos beinhaltet das >Rechte Streben<, das Streben nach dem Wohle seines Nächsten und der Menschheit.
»Das menschliche Streben. Man achte darauf, nichts zu tun, was außerhalb seiner Kräfte liegt, aber auch nichts zu unterlassen, was innerhalb derselben sich befindet. Über das Alltägliche, Augenblickliche hinausblicken und sich Ziele (Ideale) stellen, die mit den höchsten Pflichten eines Menschen zusammenhängen, zum Beispiel deshalb im Sinne der angegebenen Übungen sich entwickeln wollen, um seinen Mitmenschen nachher umso mehr helfen und raten zu können, wenn vielleicht auch nicht gerade in der allernächsten Zukunft. Man kann das Gesagte auch zusammenfassen in: Alle vorangegangenen Übungen zur Gewohnheit werden lassen Das heißt: So wie die Sonne das Herz und den Mittelpunkt des ganzen Planetensystems darstellt, so fasst diese Übung für den Herzlotos als Fundamentalübung auch diejenigen für die andern Lotosblumen zusammen.

5. Die zehnblättrige Lotosblume, das Nabelzentrum (Merkur):

die Lotosblume des Urteilens (auch der Bewegung). Man übt bei dieser Lotosblume das >Rechte Urteil<, um Bewusstsein in alle Bewegung und Aktivität zu bringen. »Nur aus begründeter voller Überlegung heraus selbst zu dem Unbedeutendsten sich entschließen. Alles gedankenlose Handeln, alles bedeutungslose Tun soll von der Seele fern gehalten werden. Zu allem soll man stets wohlerwogene Gründe haben. Und man soll unbedingt unterlassen, wozu kein bedeutsamer Grund drängt. Ist man von der Richtigkeit eines gefassten Entschlusses überzeugt, so soll auch daran festgehalten werden in innerer Standhaftigkeit. Dies ist das so genannte >richtige Urteil•, das nicht von Sympathie und Antipathie abhängig gemacht wird.«

6. Die sechsblättrige Lotosblume, das Beckenzentrum (Venus):

die Lotosblurne des Ausgleichs und der Harmonie, auch der Gesundheit. Man übt für diese Lotosblume den >Rechten Standpunkt<, um Gleichgewicht und Harmonie zu erlangen.
>,Die Einrichtung des Lebens. Natur- und geistgemäß leben, nicht im äußeren Tand des Lebens aufgehen. Alles vermeiden, was Unruhe und Hast ins Leben bringt. Nichts überhasten, aber auch nicht träge sein. Das Leben als ein Mittel zur Arbeit, zur Höherentwicklung betrachten und dem gemäß handeln. Man spricht in dieser Beziehung auch vom >richtigen Standpunkt<.«

7. Die vierblättrige Lotosblume, das Wurzelzentrum (Mond):

die Lotosblumc des schöpferischen Willens und der Zeugung. Die >Rechte Tat< ist die Übung für diese Lotosblume.
»Die äußeren Handlungen. Diese sollen nicht störend sein für unsere Mitmenschen. Wo man durch sein Inneres (Gewissen) veranlasst wird zu handeln, sorgfältig erwägen, wie rnan der Veranlassung für das Wohl des Ganzen, das dauernde Glück der Ivlitmenschen, das Ewige, am besten entsprechen könne. Wo man aus sich heraus handelt-aus eigener Initiative-, die Wirkungen seiner Handlungsweise im Voraus auf das Gründlichste erwägen. Man nennt das auch >die richtige Tat<.«


Zu diesen sieben Einzel-Übungen tritt nun eine achte Übung, die die vorhergehenden in einem harmonischen Zusammenhang verinnerlichen sollen. Diese Übung der grundlegenden Selbst-Orientierung kann man >Rechte Beschaulichkeit< nennen: »Von Zeit zu Zeit Blicke in sein Inneres tun, wenn auch nur fünf Minuten täglich zur selben Zeit. Dabei soll man sich in sich selbst versenken, sorgsam mit sich zu Rate gehen, seine Lebensgrundsätze prüfen und bilden, seine Kenntnisse - oder auch das Gegenteil - in Gedanken durchlaufen, seine Pflichten erwägen, über den Inhalt und den wahren Zweck des Lebens nachdenken, über seine eigenen Fehler und Unvollkommenheiten ein ernstliches Missfallen haben, mit einem Wort: das Wesentliche, das Bleibende herauszufinden trachten und sich entsprechende Ziele, zum Beispiel zu erwerbende Tugenden, ernsthaft vornehmen. (Nicht in den Fehler verfallen und denken, man hätte irgendetwas gut gemacht, sondern immer weiter streben, den höchsten Vorbildern nach.) Man nennt diese Übung auch >die richtige Beschaulichkeit<.«